Für viele bedeutete die Meldung Freude und Genugtuung, dass das Naturschutzgebiet „Ilmenau-Luhe-Niederung“ mit Wirkung vom 1.12.2014 nun Realität geworden ist. Vom NABU (damals noch “Deutscher Bund für Vogelschutz“) im Jahr 1981 zur Ausweisung beantragt, hat das Gebiet seither Politik und Verwaltung lokal in Winsen beschäftigt und darüber hinaus auch international in Brüssel, denn in der Zwischenzeit wurde das Gebiet auch in der Europäischen Union Gegenstand von Schutzbemühungen. Nun ist das Ziel erreicht und dabei kann sich der NABU durchaus auch selbst einmal auf die eigene Schulter klopfen, denn ohne ihn gäbe es das Schutzgebiet in dieser Form nicht, wären die wertvollsten Bereiche heute eingedeicht und unter Gewerbebauten, Asphalt- und Betonflächen verschwunden.
Neben Feucht- und Nassgrünland, Fließ- und Stillgewässern, Gebüschen und Gehölzen, Röhrichten, Seggenriedern und Hochstaudenbereichen sind es ganz besonders die von den Gezeiten beeinflussten
Bereiche, die den Wert des Gebietes ausmachen. Vom Ilmenau-Sperrwerk nur gegen Sturmfluten geschützt, schwingen Ebbe und Flut ungehindert täglich zweimal ein und aus mit einem meterhohen
Tidehub und schaffen ausgedehnte Tideröhrichte, Süßwasserwattflächen und Priele, Lebensräume, die mit der dazu gehörenden Pflanzen- und Tierwelt an der Tideelbe höchst selten geworden sind,
insbesondere in der hier noch vorhandenen großen Ausdehnung .
Diese gezeitenbeeinflussten Gebiete sind ungeeignet für eine wirtschaftliche Nutzung. Oder doch? 1990 beschloss die Stadt Winsen die Aufstellung eines Bebauungsplanes zur Erweiterung der
Gewerbegebietes „Osterwiesen“. Und das in Richtung Westen, also genau in den tidebeeinflussten Bereich hinein, sozusagen in das „Filetstück“ des Gesamtgebietes. Die modernen Instrumente des
Naturschutzes Eingriffsregelung, Landschaftsplanung, Umweltverträglichkeitsprüfung gab es zu dieser Zeit noch nicht. Die Besonderheit der Landschaft und ihr herausragender Wert für den
Naturschutz waren weder der Stadt noch den Naturschutzbehörden beim Landkreis und bei der Bezirksregierung überhaupt bekannt. So bestand die Gefahr der Eindeichung, Aufschüttung und
Bebauung, so wie es im Falle des bestehenden Gewerbegebietes vorher schon problemlos und widerstandslos erfolgt war.
In intensiver Arbeit über ein Jahr lang hat der NABU daraufhin eine Biotopkartierung durchgeführt, hat Pflanzen und Tiere kartiert, eine vollständige Siedlungsdichteuntersuchung der Vogelwelt
vorgenommen, eine Bewertung durchgeführt und schließlich die Sicherung des Gebietes als Naturschutzgebiet den Gremien der Stadt und den Naturschutzbehörden vorgeschlagen. In -zig Veranstaltungen,
intensiver Öffentlichkeitsarbeit -auch ein Film wurde über das Gebiet und die Problematik gedreht-, konnten schließlich Rat und Verwaltung der Stadt Winsen zum Umdenken und zum Verzicht auf die
Aufstellung des Bebauungsplanes bewogen werden.
Nun war die Schutzwürdigkeit des Gebietes bekannt und anerkannt. Weitere Gefährdungen konnten abgewehrt werden, z.B. das Vorhaben, im Bereich „Sielhöfe“ Teile einzudeichen und Wohnbebauung
auszudehnen. Der hohe Wert für die Vogelwelt führte 1983 zur Einstufung als „Europäisches Vogelschutzgebiet“, das heute zusammen mit dem NSG „Untere Seeveniederung“ das EU-Vogelschutzgebiet
V20 bildet. Zusammen mit Gebieten nach der Flora-Fauna-Habitat (FFH)-Richtlinie gehört es zum europaweiten Schutzgebietssystem „Natura 2000“, mit dem Lebensräume und Arten geschützt und die
biologische Vielfalt in Europa bewahrt werden sollen.
Die EU verpflichtet die Mitgliedsstaaten, die „Natura 2000“ Gebiete nach nationalem Recht zu sichern. Das hat die Naturschutzbehörde beim Landkreis Harburg veranlasst, die Untere
Ilmenau-Luhe-Niederung jetzt zum Naturschutzgebiet zu erklären – 33 Jahre nach Antragstellung. Es gilt nun, die günstigen Bedingungen für Lebensräume und Arten zu erhalten und auch zu verbessern.
Die Ziele, dies zu erreichen, die Instrumente und Regeln dazu, sind in der Naturschutzverordnung formuliert. Über Zustand, Veränderungen und Prognose der Naturinhalte müssen in regelmäßigen
Abständen Berichte angefertigt und der Europäischen Kommission vorgelegt werden.
Text und Bilder: Klaus Großberger
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